Mitarbeiter-Bewertung: Ist Leistung wirklich messbar?

Team- und Projektarbeit dominieren die Arbeitswelt von heute. Werden traditionelle Beurteilungssysteme den modernen Arbeitsinhalten noch gerecht?

  • Die Leistung des Mitarbeiters entscheidet über dessen Gehalt, Zulagen sowie Beförderungen mit. Doch wie lässt sich der Einsatz eigentlich messen? Gängige Beurteilungssysteme, die meistens auf Benotungen basieren, stammen aus einer Zeit, als (fast) jeder Arbeitnehmer eine Stellenausschreibung hatte, in der seine Aufgabe auch exakt definiert war. Heute werden die Arbeitssysteme hingegen zunehmend vernetzt, Mitarbeiter agieren verstärkt autonom, die Anforderungen an die Unternehmen und ihre Mitarbeiter wandeln sich schnell. Die moderne Arbeitswelt ist geprägt von Team-, Projekt- und Kopfarbeit. Neun von zehn der befragten Führungskräfte sind davon überzeugt, dass Leistungsbewertungen zur Verbesserung der Geschäftsergebnisse beitragen. Das belegt eine Umfrage von Accenture unter 2.100 Führungskräften und Mitarbeitern. Aber nur jeder Vierte ist der Ansicht, dass die aktuellen Methoden und Prozesse auch wirklich dafür geeignet seien. Es steigt die Gefahr, dass Beurteilungen immer häufiger als ungerecht empfunden werden, demotivierend sind und dass bei Mitarbeitern das Gefühl entsteht: Meine Person und mein Beitrag zum Erreichen der Ziele werden nicht entsprechend wahrgenommen und geschätzt.

Drei Faustregeln, damit die Leistungsbeurteilung nachvollziehbar und gerechter wird

Eine „laufende“ Leistungsbeurteilung

  • Sei es Lob oder Kritik – Feedback wirkt nur, wenn es zeitnah erfolgt. Einige Unternehmen, wie Microsoft, Google oder Accenture, haben das jährliche Mitarbeitergespräch samt Leistungsbeurteilung deshalb abgeschafft. Die Alternative dazu ist, die Intervalle der Gespräche zu verkürzen, etwa nach dem Abschluss jedes einzelnen Projekts. Manche Firmen sind sogar zu wöchentlichen Fünf-Minuten-Gesprächen übergegangen. Im Idealfall machen sich Führungskräfte laufend Notizen über die Leistung eines Mitarbeiters. In modern geführten und strukturierten Unternehmen müssen die Führungskräfte mit ihren Mitarbeitern in einem Dialog stehen – und zwar kurzfristig-operativ und mittelfristig-entwickelnd.

Transparente Zielvorgaben

  • Laut der Accenture-Umfrage wünschen sich 70 Prozent der Mitarbeiter transparente Beurteilungen. Auch hier sind häufigere, regelmäßige Beurteilungen ein Schritt in die richtige Richtung. Denn dann fällt es leichter, sich auf konkrete Situationen zu beziehen. Die Ziele müssen klar definiert und dokumentiert sein. Was umfasst beispielsweise das Bewertungskriterium „Belastbarkeit“? Das Verhalten in Stresssituationen oder die Bereitschaft, Überstunden oder gar Wochenenddienste zu machen?

Smarte Leistungskriterien

  • Wer die Leistung der Mitarbeiter steuern will, versucht sie zunächst messbar zu machen – mit Hilfe von Indikatoren. Je konkreter die Indikatoren und je aktiver der Mitarbeiter sie auch tatsächlich beeinflussen kann, desto besser. Fürs Marketing kann das etwa heißen: Die Entwicklung des Bekanntheitsgrads eines neuen Produktes am Markt. Die Leistungsindikatoren sollten den SMART-Kriterien entsprechen: spezifisch (für die jeweilige Abteilung angepasst), messbar, aktiv (von den jeweiligen Mitarbeitern beeinflussbar), realistisch, terminiert (ein Zeitlimit zur Erreichung der Ziele). Das Ziel lautet jedenfalls: Die Bewertung sollte objektiv und nachvollziehbar sein. Es fließen aber zusätzlich bewusste und unbewusste Kriterien in die Beurteilung von Mitarbeitern ein. Damit es dennoch einigermaßen fair zugeht, sollten Vorgesetzte stets ihre eigene subjektive Beurteilungsweise im Blick haben.

Typische Fallen bei der Mitarbeiterbeurteilung

    • Tendenz zur Mitte: Ein Phänomen, das aus der Sozialforschung bekannt ist. Bei Befragungen kreuzen Teilnehmer bevorzugt „weder noch“ oder „trifft manchmal zu“ an, so müssen sie sich nicht ganz für die eine oder andere Seite entscheiden.
    • Sich selbst als Maßstab nehmen: Arbeitsweisen sind unterschiedlich. Angenommen eine Führungskraft neigt zu Perfektionismus und präzisem Arbeiten: Nicht jeder Mitarbeiter wird einen ähnlich hohen Maßstab erreichen können.
    • Der Sympathie-Effekt: Führungskräfte bevorzugen vielleicht unbewusst Mitarbeiter, die ähnliche Hobbys oder Interessen haben und mit denen sie sich auch privat gerne treffen würden.
    • Der Halo-Effekt: Wenn bei einem Mitarbeiter eine besondere Eigenschaft die anderen überstrahlt. Eloquenz, Witz und die richtige Art, seine Arbeit zu präsentieren, lassen einen manchmal kompetenter erscheinen als es tatsächlich der Fall ist.
    • Der Kleber-Effekt: Einmal top, immer top. Besondere Reputationen oder herausragende Leistungen bleiben haften, Führungskräfte schließen häufig auch aus bisherigen Leistungen auf künftige.
    • Der Stimmungseffekt: Natürlich beeinflusst die persönliche Stimmungslage des Chefs die Beurteilung. Ergebnisse von Gedächtnisexperimenten haben gezeigt, dass gut gelaunte Vorgesetzte sich vor allem an positive Leistungen erinnern.